Barrierefreiheit von Webseiten: Ein praktischer Einstieg
Um den dichten Dschungel der "Gesetze und Anforderungen zur Barrierefreiheit" zu durchdringen, bieten wir hier die wichtigsten Informationen und einen pragmatischen Ansatz, um direkt durchzustarten.
Hintergrundinformationen
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wurde im Juli 2021 verkündet und tritt am 28. Juni 2025 in Kraft. Es setzt die Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/882 des Europäischen Parlaments, bekannt als "European Accessibility Act" (EAA), um.
Erstmals gilt es auch für private Wirtschaftsakteure, die verpflichtet werden, Barrierefreiheitsanforderungen zu erfüllen, sofern ihre Produkte oder Dienstleistungen in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen. Rein private sowie rein geschäftliche (B2B) Angebote unterliegen nicht dem BFSG. Ausnahmen gibt es für Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern oder einem Jahresumsatz unter 2 Mio. €.
Das BFSG betrifft unter anderem Webseiten von Telekommunikationsdiensten, Banken, Online-Banking, Bankdienstleistungen sowie Beförderungsdiensten (ausgenommen Regionalverkehr). Darüber hinaus umfasst es Webseiten mit „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“, wie Online-Shops und Webseiten, die den Online-Vertragsschluss ermöglichen, z.B. für Hotel- und Reisebuchungen, Gutscheinbestellungen oder verbindliche Terminbuchungen.
Ein reines Kontaktformular ohne verbindlichen Charakter wird nicht als "elektronischer Geschäftsverkehr" eingestuft.
Anforderungen an digitale Barrierefreiheit
Der European Accessibility Act (EAA) und die darin erwähnte „digitale Barrierefreiheit“ beziehen sich auf die Norm EN 301 549 sowie die "Web Content Accessibility Guidelines" (WCAG). Für Webseiten von Behörden und öffentlichen Stellen gelten die Vorgaben des Behindertengleichstellungsgesetzes (BITV 2.0), ergänzt um einige zusätzliche Kriterien.
Für Webseiten der privaten Wirtschaft gelten leicht angepasste Anforderungen, die sich jedoch nur geringfügig vom BITV 2.0 unterscheiden. So sind beispielsweise Gebärdensprache und Leichte Sprache im Rahmen des BFSG nicht verpflichtend.
Kurz gesagt, für betroffene Webseiten der privaten Wirtschaft sollten die Kriterien des "BIK BITV-Tests + WCAG 2.2 (Web)" herangezogen werden. Dieser Test umfasst die Anforderungen der EN 301 549 und WCAG 2.2 (Konformitätsstufe AA). Weitere Informationen finden Sie hier: https://bitvtest.de/pruefverfahren/bitv-20-plus-web
Externe Tools, Plugins und Skripte, die eine Webseite barrierefrei machen sollen, erfüllen oft nur einige der erforderlichen Kriterien. Um den Anforderungen des BFSG vollständig zu entsprechen, müssen jedoch alle Kriterien erfüllt sein. Solche Erweiterungen sind daher meist keine ausreichende Lösung und werden von betroffenen Nutzern häufig kritisch gesehen.
Pragmatischer Ansatz zur Umsetzung der Barrierefreiheit
Nun, da die Anforderungen klar sind, ist der nächste logische Schritt, die Webseite unabhängig auf die genannten Kriterien prüfen zu lassen, z.B. durch einen spezialisierten Dienstleister. Ein vollständig automatisierter Test der Barrierefreiheit existiert nicht; vorhandene Tools bieten nur eine unvollständige und oft unzuverlässige Analyse. Da viele Kriterien zu berücksichtigen sind und die Umsetzung trotz Hilfsmitteln und Tools komplex sein kann, sollte ausreichend Zeit für die Prüfung eingeplant werden. Ein gewisses Maß an IT-Verständnis ist für die Prüfung unerlässlich.
Auf Basis der Prüfergebnisse können dann die nächsten Schritte definiert werden. Einige Probleme lassen sich direkt auf der Webseite beheben. Im Internet gibt es inzwischen zahlreiche Anleitungen und Beispiele zur Lösung spezifischer Probleme.
In manchen Fällen kann es jedoch sein, dass bestimmte Anforderungen nicht sofort umgesetzt werden können. Diese nicht erfüllten Kriterien sollten dann in einem Dokument oder einer Seite namens "Erklärung zur Barrierefreiheit" aufgeführt werden. Diese Seite, die ähnlich wie "Datenschutz" oder "Impressum" auf der Website eingebunden und von überall erreichbar ist, sollte jährlich und bei jeder wesentlichen Änderung aktualisiert werden. Weitere Informationen dazu finden Sie hier: https://bitvtest.de/blog/detail/die-erklaerung-zur-barrierefreiheit
Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle Kriterien ausgelassen werden können. Insbesondere in einem Webshop müssen Identifizierungs- und Authentifizierungsmethoden, elektronische Signaturen und Zahlungsdienste zwingend barrierefrei gestaltet sein.
Die Umsetzung der genannten Punkte bringt Sie der Barrierefreiheit einen großen Schritt näher. Allerdings sollte dies nicht als einmalige Maßnahme, sondern als kontinuierlicher Prozess betrachtet werden. Neue Funktionen, Templates oder Features auf der Website sollten möglichst von Anfang an barrierefrei gestaltet und regelmäßig überprüft werden.
Gerne unterstützen wir Sie bei der Prüfung Ihrer Website auf Barrierefreiheit und helfen Ihnen, alle Anforderungen zu erfüllen.